Emilys Appell
Emily Rose Collingridge, 1981 - 2012
Man hat gesagt, es sei anstrengend, das Folgende zu lesen. Aber das ist alles, worum wir Euch bitten: es zu lesen, es weiterzugeben, zu verbreiten und den vielen tausend Menschen, die wie Emily das DURCHLEBEN müssen, Eure Unterstützung zuzusagen.
(Original hier)
„Ich heiße Emily. Als ich 6 Jahre alt war, bin ich an der neurologischen Krankheit Myalgische Enzephalomyelitis erkrankt. Im April 2011 bin ich 30 Jahre alt geworden. Ich leide noch immer an ME.
ME hat jeden Aspekt meiner Kindheit geprägt; die Krankheit hat meine Teenagerjahre auf schmerzhafte Weise eingeschränkt und die Jahre zwischen 20 und 30 komplett zerstört. Jetzt am Übergang in die nächste Dekade meines Lebens bin ich von dieser schrecklichen Krankheit noch stärker lahmgelegt als je zuvor.
Meine Ärzte sagen mir, dass ich in den extremsten Leidenszustand geworfen wurde, der überhaupt durch eine Krankheit hervorgerufen werden kann. Ich war mehr als einmal sehr nah daran zu sterben. Wenn Sie mich sehen würden, dann würden Sie wahrscheinlich denken, dass ich am Sterben bin – und so ist es jeden einzelnen Tag. Nach all diesen Jahren habe ich immer noch Mühe zu verstehen, wie es möglich ist, dass man sich so erbarmungslos krank fühlt.
Ich reagiere extrem auf kleine Belastungen und sensorische Reize. Stimmen, die aus dem Erdgeschoss zu mir heraufdringen, ein kurzer Besuch eines Arztes, ein bisschen Licht - all das kann bei mir zu rasch anschwellenden Schmerzen führen, wobei ich mich fast übergeben muss, jeder Atemzug ein Kampf ist und ich das Gefühl habe, dass mich dieses Leiden gleich verrückt macht. Es kann natürlich auch ohne besonderen Grund so schlecht werden, und das tut es oft auch. Ich kann nicht gewaschen werden, ich kann meinen Kopf nicht heben, ich kann niemanden bei mir haben, ich kann nicht aus dem Bett gehoben werden, kann nicht aus dem Fenster schauen, kann nicht berührt werden, kann weder fernsehen noch Musik hören - die Liste ist lang. ME hat meinen Körper zu einem quälenden Gefängnis gemacht.
Meine Tage und Nächte sind voller unruhigem Schlaf, unterbrochen von Injektionen, Wechsel der Nadeln (einer Spritzenpumpe), dem Wechsel meiner Inkontinenzeinlagen (außer dass ich zeitweise gelähmt und manchmal blind und taub bin, bin ich harn- und stuhlinkontinent) und dem Hineinpumpen von Medikamenten/Flüssigkeiten in meinen Magen durch einen Schlauch. Mein Leben könnte einfacher sein, wenn ich für intravenöse Medikamente und Flüssigkeit einen Hickman-Katheter hätte (der in eine zentrale Vene am Herzen geht), aber so etwas würde mich wahrscheinlich umbringen. Ich nehme eine riesige Menge an Medikamenten, die helfen, aber trotzdem ist das Leiden die meiste Zeit unvorstellbar. In den schlimmsten Stunden muss ich ohne das extra Morphium auskommen, das ich brauche, weil ich so krank bin, dass allein der Gedanke, dass meine Mutter sich mir nähert, um mir diese Extraportion zu verabreichen, unerträglich ist - und das trotz so extremer Schmerzen, dass ich halluziniere.
Ich lebe in der dauernden Angst vor einer Krise, die mich im Krankenhaus enden lässt; unsere Krankenhäuser haben einen solchen Mangel an Rücksicht gegenüber den besonderen Bedürfnissen von Patienten wie mir gezeigt, dass die im Krankenhaus verbrachte Zeit Folter ist (die nur durch die unglaubliche Freundlichkeit mancher Krankenschwestern und Ärzte erleichtert wird) und ausnahmslos eine weitere Verschlechterung verursacht.
Oft empfinde ich nur blanke Verzweiflung.
Aber anders als manch andere Betroffene habe ich im Verlauf der Jahre, in denen ich an schwerer ME leide (die Krankheit fing zunächst leicht an und wurde dann immer schlimmer), wenigstens immer wieder Zeiten gehabt, in denen ich eine Atempause von dem absolut schlimmsten Zustand hatte. In diesen Zeiten war ich immer noch sehr krank, aber es war möglich, das Leben wenigstens etwas zu genießen. Deshalb weiß ich in diesen dunklen Tagen, dass es eine reelle Chance gibt, dass die Zeiten wieder besser werden, und das gibt mir die Kraft, weiterzumachen.
Meine gesamte Zukunft und die entscheidende Verbesserung meines Gesundheitszustandes, nach der ich mich so sehne, hängen gegenwärtig allein vom Glück ab. Das ist nicht richtig. Während ich hier liege, wünschend und hoffend und einfach nur versuchend, zu überleben, sollte ich (und die Tausenden anderen mit schwerer ME wie ich - schwer ME ist nicht selten) wenigstens den Trost haben, dass es da draußen viele, viele finanziell gut ausgestattete Wissenschaftler und Ärzte gibt, die alle Hebel in Bewegung setzen in dem Streben, eine Behandlungsmöglichkeit zu finden, mit der man meine Gesundheit wiederherstellen könnte, und dass der Nationale Gesundheitsdienst (NHS) alles nur Mögliche tut, um mir die Versorgung zu bieten, die ich brauche - aber diesen Trost habe ich nicht. Diese elende, hässliche Krankheit wird noch elender und hässlicher durch den skandalösen Mangel der Erforschung ihrer schwersten Ausprägungsformen und das Fehlen der notwendigen angemessenen Unterstützung derjenigen, die an ihr leiden. Das ist etwas, was sich ändern muss.
Und das ist der Grund, warum ich meine Geschichte erzähle; warum ich gegen meinen schmerzhaften, gelähmten Körper kämpfe, um das hier auf einem Smartphone zu tippen, einen schwierig zu bewältigenden Satz nach dem andern, und um an die Regierungen, Geldgeber, medizinische Fachleute und andere zu appellieren:
Bitte setzen Sie dem ein Ende, dass Menschen mit schwerer ME vollkommen verlassen sind und geben Sie uns einen wirklichen Grund zur Hoffnung."
Anmerkung: Emily ist im März nach langer schwerer Erkrankung verstorben.