FAQ's
Auf dieser Seite finden Sie Antworten zu
- ME/CFS allgemein (Teil 1),
- medizinischen Fragen (Teil 2),
- Leben mit ME/CFS (Teil 3),
- Einkommenssicherheit (Teil 4)
und
-
ME/CFS
Informationsquellen (Teil 5)
-
und
wichtige Informationen (Teil 6).
Teil 1: Allgemein
Was sind die Ursachen für
ME/CFS?
Als Ursachen werden von einem großen Teil der auf diesem Gebiet Forschenden eine Schwächung bzw. chronische Aktivierung des Immunsystems angenommen. Mehrere neuere Forschungen stufen ME/CFS als eine neuroimmunologische Regulationsstörung ein, dass heißt, das Zusammenspiel zwischen Immunsystem, Nervensystem und Hormonsystem gerät aus der Balance. Dadurch kommt es zu einer dauerhaften Aktivierung des Immunsystems, was zu Erschöpfungszuständen, Muskel- und Gelenkschmerzen, Störungen der Temperaturregulierung etc. führt. Die Symptome setzen häufig schlagartig ein, vor allem im Anschluss an eine Infektionskrankheit. Die überwiegenden Ursachen sind Viren, auch Retroviren, bakterielle Infektionen, aber auch chronische Einwirkungen von Chemikalien wie Holzschutzmittel, Lindan, Herbizide, Dioxine, Formaldehyd, PCB, Pyrethroide oder Schimmelpilze. Auch chronische Entzündungsprozesse wie Granulome und chronische Zahnfleischentzündungen sind zu beachten. Manchmal sind sie eine Begleiterkrankung, manchmal die Ursache. Nicht zu vergessen sind auch ein HWS-Schleudertrauma, körperliche Traumata, Kohlenmonoxidvergiftung, Organophosphate andere Umweltgifte. Chemikalien mit hoher Speicherfähigkeit lösen u.U. Autoimmunprozesse aus. Als mögliche Auslöser gelten insbesondere intrazelluläre Erreger wie Mykoplasmen, Chlamydien oder Borrelien, aber auch Mykosen. Nach einer Viruserkrankung, wie beispielsweise solche aufgrund des Epstein-Barr-Virus, erholt sich ein Teil der Erkrankten auch nach sechs Monaten nicht mehr von dieser Infektion. Diese Betroffenen erfüllen ebenfalls die Diagnosekriterien zu ME/CFS, hier spricht man auch vom postviralen Fatigue Syndrom.
Ist ME/CFS eine "echte" Krankheit?
ME/CFS ist eine organische, pathophysiologische Multisystemerkrankung, die sowohl sporadisch als auch in Epidemien auftritt. Es liegen zahlreiche Forschungsbelege für physiologische und biochemische Anomalien vor, die ME/CFS als abgrenzbare klinische Erkrankung auf biologischer Grundlage ausweisen.
Wer bekommt ME/CFS?
Von der Krankheit sind alle Altersgruppen einschließlich Kindern, alle ethnischen Gruppen und Menschen aller sozioökonomischen Schichten betroffen. Am häufigsten tritt die Krankheit bei Menschen im Alter zwischen 20 und 40 Jahren auf, die Prävalenzrate ist bei Frauen höher als bei Männern.
Sollte diese Krankheit nicht einen besseren Namen haben?
Die aktuelle internationale Bezeichnung ist ME: Myalgische Enzephalomyelitis. Es konnte bisher kein geeigneter Name gefunden werden, der die tatsächliche Schwere der Erkrankung widergibt. Die
Bezeichnung “CFS” wird von vielen Betroffenen und Patientenorganisationen weltweit abgelehnt, weil zum einen diese Bezeichnung missbraucht wird, um die Erkrankung psychosomatisch einzustufen und
zum anderen in der breiten Öffentlichkeit dazu führt, dass die Beschwerden mit der normalen Alltagserschöpfung eines Gesunden verwechselt werden. Dabei ist “Erschöpfung” nur eines von zahlreichen
Symptomen, die zu einer erheblichen Reduktion des Aktivitätsniveaus führen.
Der Begriff „Myalgic Encephalomyelitis” (ME) wurde zuerst von Acheson im Jahr 1959 definiert. Die Charakteristika der Erkrankung waren: Kopfschmerzen, Myalgien (Muskelschmerzen), Paresen (leichte
Lähmungserscheinungen und motorische Schwächen), mentale Probleme, geringgradiges oder auch kein Fieber sowie das Fehlen eines tödlichen Ausgangs (Acheson, 1959). Später operationalisierte Ramsay
die Erkrankung und schloss drei wesentliche Charakteristika mit ein: Muskelschwäche und Erschöpfbarkeit, eine Beteiligung des zentralen Nervensystems und das Schwanken der Symptome. Die
Bezeichnung Myalgische Enzephalomyelitis bezieht sich auf die Symptome Schmerz in den Muskeln und Entzündungen im Gehirn und Rückenmark. Muskelschwäche ist für die Diagnose des ME ein notwendiges
Kriterium nach dem Kanadischen Konsensdokument. Obwohl die Definitionen von ME und CFS sich unterscheiden, beziehen sich weite Kreise einschließlich der internationalen Forschergruppe, die die
kanadischen Leitlinien veröffentlicht hat, auf die Krankheit mit dem Doppelbegriff „Myalgic Encephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome” (ME/CFS). Künftig wird das Kanadische Konsensdokument von
der im Juli 2011 erschienenen revidierten Fassung Myalgic Encephalomyelitis: International Consensus Criteria (Caruthers et al., The Journal of Internal Medicine, July 2011) ersetzt.
Diese Schrift nimmt wie folgt zu der Krankheitsbezeichnung Stellung:
„Die Bezeichnung “Chronic Fatigue Syndrome“ (CFS) hat sich aufgrund des fehlenden Wissens um die verursachenden Faktoren und den Krankheitsprozess seit vielen Jahren hartnäckig gehalten.
Angesichts neuerer Forschung und klinischer Erfahrung, die stark auf eine verbreitete Entzündung und eine multisystemische Neuropathologie hinweisen, ist es angemessener und richtiger, den
Begriff „Myalgische Enzephalomyelitis“ (ME) zu verwenden, weil dieser auf eine zugrundeliegende Pathophysiologie hinweist. Er stimmt
zudem mit der neurologischen Klassifikation des ME als ICD- G93.3 in der Internationalen Klassifikation der Krankheiten der Weltgesundheitsorganisation überein.“
Im Bericht vom Institut of Medicine 2015 erfolgte eine Auswertung von über 9000 Studien aus den letzten 60 Jahren, auch Auswertung von Originalarbeiten und unter Einbeziehung von Experten und Patientenorganisationen. In der 300 Seiten langen Auswertung wurde festgestellt, das es sich bei ME/CFS um eine schwere, chronische und organische Erkrankung handelt,bei der 25% der Patienten an die Wohnung gebunden oder bettlägerig sind. Namensvorschlag vom IOM lautet daher auch „Systemic Exertion Intolerance Disease“ (SEID).
Teil 2: Medizinische Fragen
Wie finde
ich als ME/CFS-Patient/in eine gute medizinische Versorgung?
Anders
als in anderen Ländern gibt es in Deutschland kein einziges Versorgungszentrum. Darüber hinaus besitzen die meisten Ärzte keine oder nur lückenhafte Kenntnisse über die Erkrankung. Das Thema
ME/CFS kommt in den aktuellen Lehrbüchern nicht vor. Es ist daher schwierig einen Arzt zu finden, der bereit ist, sich mit der Thematik auseinander zu setzen. Ein geeigneter Versorger kann unter
anderem ein Hausarzt sein, der den Patienten am besten kennt und deshalb alle notwendigen Maßnahmen im Rahmen der Behandlung und Rehabilitation leitet und koordiniert.
Zunächst erfolgt eine gründliche Anamnese, zu der eine vollständige Beschreibung der Symptome des Patienten gehören, ebenso die Beschreibung ihres Schweregrades und die Ausmaße der
funktionellen Beeinträchtigungen. Es ist unbedingt notwendig zunächst andere Erkrankungen auszuschließen. Meist braucht es Zeit und Geduld, um herauszufinden, welche Maßnahmen im Einzelfall die
Symptome lindern. Bei Bedarf bzw. für den Ausschluss andere Erkrankungen überweist der Hausarzt den Betroffenen an Fachärzte, insbesondere erfahrene Rheumatologen, Immunologen, Endokrinologen,
Kardiologen, Neurologen, Somnologen (Schlafmediziner) und Gastroenterologen. Diese Fachärzte, die sich mit dem Krankheitsbild ME/CFS auskennen sollten, gibt es in Deutschland noch nicht oder nur
in sehr geringer Zahl. Oft finden Betroffene bei Umweltmedizinern die notwendige Versorgung. Aber, da der Begriff Umweltmedizin nicht geschützt ist, gibt es auch hier große
Unterschiede.
Wie sieht eine spezifische Behandlung bei ME/CFS aus?
Eine frühzeitige Intervention kann bei manchen Patienten die Auswirkungen des ME/CFS
abschwächen. Es gibt keinen einheitlichen Therapieansatz. ME/CFS ist zurzeit noch nicht heilbar. Eine Behandlung sollte sich auf die Abschwächung der Symptomologie und auf die Aufrechterhaltung
des funktionellen Status konzentrieren. Es ist entscheidend, dass die Belastungs- oder Aktivitätsgrenzen nicht zu oft oder zu stark überschritten werden, weil dies schwere und lang andauernde
Rückfälle auslösen kann. Selbsthilfestrategien wie Pacing und Coping können helfen, mit dieser chronischen Erkrankung besser zurechtzukommen. Ziel dieser Ansätze ist es, schonend mit den
verbliebenen Energiereserven umzugehen und damit den funktionellen Status so gut wie möglich zu verbessern. Bei der Linderung von Symptomen gilt: Was für die einen hilfreich sein kann, kann bei
anderen eine Verschlechterung auslösen. Viele Patienten reagieren auf Medikamente überempfindlich, weshalb mit einer niedrigeren als der empfohlenen Dosis begonnen werden sollte.
Forschungsstudien haben bestätigt, dass sich die physiologische Reaktion von ME/CFS-Patienten auf körperliche Belastungen von gesunden Kontrollpersonen unterscheidet. Herkömmliche
Trainingsprogramme können Rückfälle verursachen. Die Verordnung körperlichen Trainings muss bei ME/CFS-Patienten mit der gleichen Sorgfalt vorgenommen werden wie die Verordnung von
Arzneimitteln.
Warnhinweis: Es ist potentiell gefährlich für ME/CFS-Patienten, wenn man sie
antreibt, ihre Herzfrequenz bis zu den altersentsprechenden Standardwerten zu steigern. Forschungsstudien lassen darauf schließen, dass das Herz auf suboptimalem Niveau arbeitet und dass viele
unter autonomen Dysfunktionen leiden. Patienten berichten oft, dass es ihnen erst besser ging, als sie gelernt hatten, dauerhaft innerhalb ihres individuellen Energiepensums zu bleiben.
Verschiedene Forscher und auf ME/CFS spezialisierte Ärzte wie Dr.
Myhill, Dr. Van Konynenburg und Prof. Pall haben eigene Theorien zur Pathologie bei ME/CFS entwickelt, welche die biochemischen Abweichungen im Energiestoffwechsel zu erklären versuchen. Sie alle
empfehlen den Einsatz von Supplementen (Nahrungsergänzungsmitteln) zur Therapie. Bislang existieren nur kleinere Studien dazu, einige zeigen aber vielversprechende Ansätze. So können speziell
Nahrungsergänzungsmittel, welche die mitochondriale Funktion und die ATP-Produktion unterstützen, sinnvoll und nötig sein. Unter anderem finden Magnesium, Coenzym Q10, NADH, Carnitin, Vitamin B12
und Folsäure Beachtung. Wie bei allen anderen Therapien sollte auch hier unbedingt ein Arzt oder Heilpraktiker hinzugezogen werden.
Welche Symptome sind für die Diagnose ME/CFS bekannt?
Welche
Rolle spielt Stress bei ME/CFS?
ME/CFS wird oft fälschlicherweise mit dem sogenannten
„Burnout-Syndrom“ gleichgesetzt. Obwohl ME/CFS mit diesem Zustand, der vor allem durch emotionale Überlastung entsteht, nichts zu tun hat, kann Stress einen Trigger-Faktor für die Entstehung von
ME/CFS darstellen.
ME/CFS-Kranke haben, wohlgemerkt fast immer erst nach Beginn ihrer Erkrankung, eine deutlich verminderte Stresstoleranz. Mit Stress sind dabei nicht nur emotionale Belastungen gemeint, sondern
auch körperliche Anstrengung und andere Faktoren, die im Körper eine Immunreaktion auslösen können z.B. Viruserkrankungen. Viele Untersuchungen zeigen, dass bei ME/CFS häufig Störungen der
Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse vorliegen, welche für die Regulation der Stresshormone (z.B. Cortisol) im Körper verantwortlich ist. Der Hypothalamus aktiviert einerseits den
Sympathikus, andererseits ist er Ausgangspunkt einer Kaskade von Hormonen, die die Stress-Reaktion verstärken und erweitern. Die vom Hypothalamus ausgeschütteten Hormone werden als releasing
hormons (Liberine) bezeichnet, da sie in der nachgeschalteten Hypophyse die Freisetzung entsprechender Hormone, der Tropine, bewirken. Diese Hormone wirken wieder auf weitere Hormondrüsen, die
ihrerseits Hormone ausschütten. Diese Hormone wirken auf die Zielorgane ein, gleichzeitig hemmen sie Hypophyse und Hypothalamus. Auf diese Weise ist gewährleistet, dass eine Stress-Reaktion bei
fehlenden Stressoren auch wieder abgeschaltet werden kann. Da bei ME/CFS eine Dysfunktion vorliegt, ist die Toleranz gegen jegliche Form von Belastungen stark gemindert. Dinge, die vor Erkrankung
gut toleriert wurden, stellen jetzt Stressoren da, die zu einer Verschlechterung der Erkrankung beitragen können bzw. die Krankheitsschübe auslösen können. Die Vermeidung von jeglicher Form von
Stress ist also ein wichtiger Faktor, der zur Genesung beitragen bzw. eine weitere Verschlechterung des Zustands verhindern kann.
Gibt es Medikamente, die bei ME/CFS helfen können?
Bis dato gibt es leider kein Medikament, das speziell für die Behandlung von ME/CFS zugelassen ist.
Es ist keine sicher erfolgversprechende Therapie bekannt. Dennoch ist es in vielen Fällen möglich, zumindest einzelne Symptome zu lindern. Schmerzmittel, Medikamente zur Unterstützung des
Schlafes und gegen chronische oder wiederkehrende Infektionen können oft eine Verbesserung erwirken, manche Patienten erlangen damit sogar eine Symptomfreiheit. Sprechen Sie mit Ihrem Hausarzt
über mögliche individuelle Behandlungsoptionen. Auch alternative Heilmethoden und der Einsatz von
Nahrungsergänzungsmitteln werden von etlichen Patienten als hilfreich beschrieben. Für die meisten dieser Therapieansätze fehlt allerdings ein wissenschaftlicher Beleg über ihre Wirksamkeit, so
dass keine generalisierten Empfehlungen ausgesprochen werden können. Einzelne kleinere Studien weisen auf eine mögliche Wirksamkeit z.B. von L-Carnitin, Vitamin B12 und NADH
hin.
Wie lange ist die Krankheitsdauer bei ME/CFS?
Definitionsgemäß wird ME/CFS erst nach einer Mindestdauer von 6 Monaten (bei Kindern und Jugendlichen nach 4 Monaten) diagnostiziert. Die Krankheit besteht in der Regel lebenslang, die in der Literatur angegeben Chancen auf vollständige Genesung liegen quellenabhängig zwischen 6 und 12 Prozent. Viele Erkrankte erleben nach einer intensiven Anfangsphase eine langsame Besserung, andere haben zyklische Verläufe und ein geringer Teil erfährt eine kontinuierliche Verschlechterung.
Sekundäre Probleme bei ME/CFS
Menschen mit ME/CFS sind nicht nur mit der Krankheit selbst, sondern auch mit
zahlreichen anderen Problemen konfrontiert. Zum einen kann es zu Folgeerkrankungen kommen, die ihrerseits wieder behandlungsbedürftig sind. Dazu zählen z.B. Herzprobleme, Schilddrüsenerkrankungen
(insbesondere Hashimoto-Thyreoditis), Rheuma und Krebs. Zum anderen erfahren Betroffene oft Unglauben und Unverständnis von Ärzten, Sozialträgern und vom sozialen Umfeld. Dies stellt neben der
Erkrankung selbst oft eine massive Belastung für Menschen mit ME/CFS dar, da für eine Auseinandersetzung mit Behörden oder Kassen die Kraft fehlt und die Erkrankten besonders von der
Unterstützung durch Familie und Freunde abhängig sind. Manche mit der Erkrankung vertrauten Ärzte sprechen von einer regelrechten Traumatisierung der Betroffenen.
Auch für Familien, insbesondere von pflegebedürftigen Schwersterkrankten, geht
ME/CFS oft bis an die Belastungsgrenze. Vereine und Selbsthilfegruppen können hier Tipps für Betreuungspersonen
geben. Leider gibt es in Deutschland noch kein Versorgungsnetzwerk. Es gibt nur wenige Hausärzte, die Erfahrungen bei der Versorgung dieser Patienten haben. Geeignete Krankenhäuser oder
spezialisierte Pflegeeinrichtungen, die auf die Besonderheiten dieses Krankheitsbild eingestellt sind oder die mit der Diagnosestellung vertraut sind, gibt es in Deutschland bis heute
nicht.
Aktuelle
Erkenntnisse zum Krankheitsbild
"Es ist meiner Meinung nach eine Regulationsstörung, dass gerade die Immunantwort, die nach einer Infektion hin aktiv ist, dass die nicht wieder zur Ruhe kommt." Das Immunsystem sei zu schwach, um den Infekt richtig zu bekämpfen und zu beenden. Zugleich sei – zumindest bei einem Teil der Betroffenen – das Immunsystem auch überaktiv. "Und man nimmt an, dass es bei der CFS-Erkrankung auch eine Autoimmun-Komponente gibt, so wie es auch viele Erkrankungen gibt, bei denen das Immunsystem überschießend reagiert. Und so denken wir auch, dass es bei CFS – auf der einen Seite man zwar mit bestimmten Infektionen nicht richtig fertig wird, auf der anderen Seite aber auch das Immunsystem dann auch überreagiert." Mehrere Studien deuten darauf hin, dass das Epstein-Barr-Virus diesen Fehler im Immunsystem auslösen kann. (Prof. Carmen Scheibenbogen/ Internistin, Hämatologin und Leiterin Immundefekt-Ambulanz an der Charité Berlin in einem Radio-Interview des DLF vom 16.02.2014)
Neben zahlreichen anderen aktuellen Erkenntnissen zu ME/CFS erfahren zurzeit vor allem die Studienergebnisse um die beiden norwegischen Onkologen Melle und Fluge zu Rituximab große Beachtung.
Wie verläuft in der Regel der Krankheitsbeginn bei ME/CFS?
Der Krankheitsbeginn erfolgt oft abrupt, viele Menschen mit ME/CFS können sich sogar noch genau an den Tag des Beginns ihrer Erkrankung erinnern. Viele glauben zunächst an eine Grippe, oft lässt
sich eine aktive Virusinfektion (z.B. Pfeiffersches Drüsenfieber) nachweisen, von der sich die Betroffenen nicht mehr erholen. Die Anfangsphase ist meist die Phase der stärksten Einschränkung und
der ausgeprägtesten Symptomatik. Andere Patienten berichten von einem schleichenden oder allmählichen Krankheitsbeginn.
Ist ME/CFS ansteckend?
Es ist nicht bekannt, dass ME/CFS von Mensch zu Mensch übertragbar ist. Es tritt
jedoch in manchen Familien vermehrt auf. Einige Studien legen nahe, dass dies auf Umweltfaktoren oder genetische Faktoren zurückzuführen ist.
Gelegentlich tritt ME/CFS auch epidemieartig auf. Hier geht man davon aus, dass in diesen Fällen zwar das auslösende Virus ansteckend ist, das davon ausgelöste ME/CFS hingegen nicht. Ob ein
Betroffener im Anschluss an diese Virusinfektion ME/CFS entwickelt oder nicht ist vermutlich eine Frage der individuellen Disposition.
Im Zuge der Entdeckungen um XMRV (mehr dazu unter „Aktuelle Erkenntnisse zum Krankheitsbild“ auf dieser Seite) wurde das Risiko der Übertragung neu diskutiert. Australien, Neuseeland England und
Kanada schließen ME/CFS-Betroffene momentan von Blutspenden aus, in Deutschland rät das Robert Koch Institut von Blutspenden ab.
Ist ME/CFS genetisch bedingt?
Vermutlich spielt die individuelle genetische Disposition bei der Pathogenese von ME/CFS eine Rolle. Einige Studien zeigen genetische Auffälligkeiten, die die Manifestation eines ME/CFS wahrscheinlich machen. ME/CFS ist ein multifaktorielles Krankheitsbild, zu genetischen Ursachen kommen vermutlich noch einige andere Faktoren.
Kann man an ME/CFS sterben?
ME/CFS ist keine progressive oder tödlich verlaufende Erkrankung. Wie bei allen chronischen Erkrankungen können jedoch Folgeerkrankungen auftreten, die lebensbedrohlich verlaufen können. Es gibt Hinweise, dass ME/CFS sich negativ auf die Lebenserwartung auswirkt. Dafür dürften verfrühte Todesfälle durch Organversagen und Suizid die häufigsten Todesursachen sein.
Immer wieder wird bei Autopsien ME/CFS als Todesursache oder als zum Tode beitragenden Faktor genannt, wie im vermutlich bekanntesten Fall von Sophia Mirza aus Großbritannien.
Gibt es einen Zusammenhang zwischen ME/CFS und einer Depression?
Oft wird ME/CFS aufgrund der Symptome wie Erschöpfung, Gedächtnisprobleme oder Schlafstörung als Depression fehldiagnostiziert.
Zahlreiche internationale Studien belegen jedoch entscheidende biochemische und symptomatische Unterschiede zwischen Menschen mit ME/CFS und Depression. Am deutlichsten treten die Unterschiede
bei körperlicher Belastung hervor: Während diese bei einer Depression zur Verbesserung der Symptomatik führt, bewirkt sie bei ME/CFS-Patienten die charakteristische Zustandsverschlechterung nach
Anstrengung (Post-Exertional Malaise bzw. Post Exertional Neuroimmune Exhaustion), dem „Kardinalssymptom“ des ME/CFS, das wichtiger Bestandteil der diagnostischen Kriterien für dieses
Krankheitsbild ist. Diese Verschlechterung tritt häufig erst mehr als 24h nach der Belastung ein und kann mehrere Tage oder Wochen andauern.
Andere ME/CFS-typische Symptome wie Muskel-, Kopf- oder Gelenkschmerzen treten bei Depressionen seltener oder gar nicht auf.
Eine interessante Studie unter einer relativ isolierten Bevölkerungsgruppe in Dubbo in Australien zeigte, dass weder das psychiatrische Profil vor Ausbruch der Krankheit noch irgendein
biologischer Marker ließen darauf schließen, wer am Ende ME/CFS entwickeln würde.
Weiterhin haben ME/CFS-Patienten generell eine hohe Motivation, ihre Lebensqualität zu verbessern. Sie ergreifen die Initiative
und suchen intensiv nach medizinischer Behandlung. Diese Aktivität und Motivation ist für Menschen mit Depression nicht charakteristisch.
Eine Gegenüberstellung der Symptome von ME/CFS und Depressionen finden sie hier.
Wie bei anderen schweren chronischen Erkrankungen, die mit einer massiven Verminderung der Lebensqualität einhergehen, kann es allerdings zu Depressionen kommen, die als sekundäre Reaktion
einzustufen und als solche auch behandlungsbedürftig sind.
Erhöht ME/CFS die Wahrscheinlichkeit an Krebs zu erkranken?
Einige Viren, die bei ME/CFS eine Rolle spielen, stehen in Verdacht, bestimmte
Krebsarten auszulösen. So wird beispielsweise das Epstein-Barr-Virus stark mit Lymphdrüsenkrebs assoziiert. Auch geht ME/CFS nachweislich mit einem permanent dysregulierten Immunsystem einher.
Aus diesen Gründen steht immer wieder die Frage im Raum, ob ME/CFS die Entstehung von Krebs begünstigen könnte. Regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen für eine frühzeitige Erkennung auch von anderen
Folgeerkrankungen z.B. Herzkreislauferkrankungen sind sicherlich sinnvoll.
Wie wirkt sich die Krankheit bei Kindern aus?
Anders als bei Erwachsenen wird die Diagnose ME/CFS bei Kindern nicht nach sechs, sondern bereits drei Monate nach Eintreten
der charakteristischen Symptomatik gestellt. Kinder mit ME/CFS wurden bislang in der Forschung vernachlässigt, obwohl amerikanische und britische Studien davon ausgehen, dass diese Erkrankung
einer der häufigsten Gründe für lange Fehlzeiten in der Schule ist. Die Symptome bei Kindern sind identisch mit denen der Erwachsenen, aber welche Symptome jeweils am ausgeprägtesten sind,
schwankt von Tag zu Tag wesentlich stärker.
Kinder mit ME/CFS haben es besonders schwer. Oft werden sie mit falschen Diagnosen wie Schulphobie oder
psychiatrischen Störungen versehen und bleiben mit der Familie ohne sachgerechte Behandlung zurück. Manche Kinder können nur mit Schwierigkeiten oder gar nicht mehr am Schulprogramm teilnehmen,
sodass Bildung und Ausbildung gefährdet sind. Eltern mit an ME/CFS erkrankten Kindern sollten unbedingt darauf achten, dass die individuellen Grenzen nicht überschritten werden, um den
Krankheitsverlauf möglichst positiv zu beeinflussen. Oft müssen zusammen mit Schule und Lehrern individuelle Strategien erarbeitet werden, die schulische Bildung zu planen und anzupassen (z.B.
Unterricht zu Hause).
Generell haben Kinder eine günstigere Prognose als Erwachsene; die Chancen auf eine starke Verbesserung oder sogar vollständige Rückbildung der Symptome stehen wesentlich besser. Mehr Informationen finden Sie z.B. hier.
Wie wirkt sich ME/CFS auf eine Schwangerschaft aus?
Aufgrund der unterschiedlichen Ausprägungen und Verläufe der Erkrankung sind auch die Erfahrungen mit einer Schwangerschaft unterschiedlich. Manche Frauen mit ME/CFS verspüren während einer Schwangerschaft eine Verbesserung, während andere unter einer Verschlimmerung der Symptome leiden oder überhaupt keine Veränderung verspüren. Für den Fötus besteht nach heutigem Erkenntnisstand keine besondere Gefahr durch die Erkrankung selbst, allerdings können sich viele Medikamente schädigend auswirken. Die Wirkung von pflanzlichen Medikamenten oder Nahrungsergänzungsmitteln auf das Ungeborene ist nicht bekannt. In jedem Fall sollten Frauen mit ME/CFS vor der Schwangerschaft mit ihrem behandelten Arzt eingehend über die Medikation vor, während und nach der Schwangerschaft sprechen, um das Kind auch beim Stillen nicht zu schädigen. Mehr Informationen finden Sie z.B. hier.
Welche Rolle spielt ME/CFS bei Fibromyalgie?
Einige Menschen mit ME/CFS entwickeln zusätzlich Fibromyalgie und manche Menschen mit Fibromyalgie „kippen“ irgendwann in ME/CFS, es handelt sich also um häufig überlappende Krankheitsbilder. Tatsächlich vermuten einige Wissenschaftler, dass beiden Erkrankungen ähnliche Krankheitsmechanismen zu Grunde liegen (Stichwort NO/ONOO-Zyklus).
Gibt es einen Zusammenhang zur neural vermittelte Hypotonie?
Die Unfähigkeit, über längere Zeit einer Aktivität in aufrechter Position nachzugehen ist bei ME/CFS sehr verbreitet. Gerade beim Stillstehen erfasst viele Betroffene ein überwältigendes Gefühl der Erschöpfung; sitzen oder gehen wird oft besser vertragen. Dieser Zustand wird Orthostatische Intoleranz (OI) genannt und hängt vermutlich mit dem niedrigen Blutvolumen zusammen, das für ME/CFS typisch ist. Ein Subtyp der OI ist die neural vermittelte Hypotonie, bei der nach Einnehmen einer aufrechten Position oder beim Stillstehen der systolische Blutdruck stark abnimmt. Zu den Symptomen gehören z.B. Benommenheit, Schwindel, druckartige Schmerzen im Brustkorb, extremes Schwächegefühl, Störungen in der Wahrnehmung, Blässe oder eine verlangsamte verbale Reaktion.
Gibt es einen Zusammenhang zwischen ME/CFS und einer Epstein-Barr-Virusinfektion?
Viele Menschen haben ME/CFS entwickelt, nachdem sie an Pfeifferschem Drüsenfieber erkrankt waren; dieses wird durch das Epstein-Barr-Virus (EBV) ausgelöst. Tatsächlich steht EBV neben zahlreichen anderen Viren (z.B. CMV, HHV6, VZV) immer wieder in Verdacht, Auslöser oder Unterhalter von ME/CFS zu sein. Ob der Ausbruch einer EBV-Infektion bzw. eine EBV-Reaktivierung Ursache oder Folge des bei ME/CFS dysregulierten Immunsystems ist, ist noch unklar.
Teil 3: Leben mit ME/CFS
Wie lebt man mit ME/CFS?
Das Leben mit ME/CFS ist abhängig vom Schweregrad der Erkrankung und vom sozialen Umfeld. Vielen gelingt es, trotz der Erkrankung ein glückliches Leben zu führen. Die Akzeptanz einer schweren chronischen Erkrankung braucht seine Zeit, wichtig ist die physische und emotionale Unterstützung von Freunden und Familie. Pacing- und Copingstrategien können helfen, die übrigen Ressourcen bestmöglich zu nutzen. Was Sie selbst tun können, damit es Ihnen besser geht, erfahren Sie hier.
Wie finde ich Selbsthilfegruppen?
Der Bundesverband Chronisches Erschöpfungssyndrom e.V. Fatigatio hat verschiedene Regionalgruppen. Daneben gibt es noch unabhängige Selbsthilfegruppen, wie z.B. die Initiative Chronisches Erschöpfungssyndrom Kassel (info@selbsthilfe-kassel.de), das Netzwerk Selbsthilfe Bremen oder das Netzwerk-CFS in Hannover.
Teil 4: Einkommenssicherheit: Job- und / oder Grad der Behinderung
Bleibe ich mit ME/CFS arbeitsfähig?
Das Set an Symptomen, der Grad der körperlichen und geistigen Einschränkungen sowie der Verlauf der Erkrankung sind bei jedem Betroffenen unterschiedlich. Je nach individuellem Zustand und Anforderungen der Arbeitsstelle gelingt es manchen, ihre Berufstätigkeit aufrecht zu erhalten – meist mit viel Mühe und unter Verzicht jeglicher anderer Aktivitäten. Andere können noch einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen; die meisten benötigen große Flexibilität in der Zeiteinteilung, um an „schlechten“ Tagen genügend Erholung zu finden. Da ME/CFS definitionsgemäß eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit um mindestens 50% mit sich bringt, ist der überwiegende Teil der Betroffenen nicht mehr in der Lage, einen Beruf auszuüben.
Entscheidungen im Hinblick auf berufliche Veränderungen und Verrentung sollten stets sorgfältig überlegt werden. Erklären Sie Ihrem Arbeitgeber Ihre Situation und setzen Sie sich mit dem Behindertenbeauftragten Ihres Betriebes oder einem anderen Berater in Verbindung.
Habe ich einen Anspruch auf einen Behindertenausweis bei ME/CFS?
ME/CFS ist eine zur Behinderung führende Erkrankung. Der Grad der Behinderung wird nach den vorliegenden körperlichen Einschränkungen bemessen.
Teil 5: ME/CFS Informationsquellen
Welche Newsletter und Zeitschriften gibt es?
Der Bundesverband Chronisches Erschöpfungssyndrom e.V. Fatigatio gibt mehrmals jährlich die Mitgliederzeitschrift „CFS-Forum“ heraus. Mitglieder erhalten die Zeitschrift kostenlos, Interessenten können ein Probeheft erhalten. Für den Newsletter der LVS können Sie sich hier anmelden.
Informationen im Internet zu ME/CFS
Welche nationalen Organisationen gibt es?
Teil 6: Wichtige Informationen
Was ist noch wichtig zu wissen?
Gern bauen wir diese Seite für Sie weiter aus. Gibt es Informationen, die Sie in dieser Liste noch vermissen? Wir freuen uns über Ihre Rückmeldung über das Kontaktformular oder unter info@lost-voices-stiftung.org. Die FAQ´s sind nur eine erste Informationsquelle über das Krankheitsbild ME/CFS. Weitere Informationen finden sie auf den weiteren Seiten dieser Homepage.
Bitte haben Sie Verständnis, dass wir keine Therapien und/oder Medikamente empfehlen können.
Was ist der "12. Mai / Internationale Awareness Day"?
In vielen Ländern der Welt findet seit 1995 der „International CFS/CFIDS/ME Awareness Day“ statt. Das Datum erinnert an den Geburtstag der englischen Krankenschwester Florence Nightingale. Sie litt seit ihrem 35. Lebensjahr an einer ME/CFS-ähnlichen Erkrankung, durch die sie fünfzig Jahre ihres Lebens ans Bett gefesselt war. Viele ME/CFS-Vereine oder Selbsthilfegruppen nutzen diesen Tag, um auf die schlechte Versorgungsleistung und Unkenntnis über die Erkrankung aufmerksam zu machen.